Zuerst mal vorweg: Die aktuelle Corona-Politik ist eine riesige Shitshow! Eine Politik, welche nicht auf strukturelle Probleme wie den Pflegenotstand reagiert (z.B. durch Entprivatisierung, höhere Löhne für Krankenpfleger*innen usw.), stattdessen lieber reagierend Maßnahmen verhängt, weil die Pandemie sich über den Sommer komischerweise doch nicht aufgelöst hat. Die Corona-Politik des Bundes und der Länder setzt weiter auf Maßnahmen, die vor allem wirtschaftliche Interessen schützen und epidemologisch nicht begründar sind. Die „Lockdown light“ sind ein Sinnbild für die Widersprüche der neoliberalen Pandemiebekämpfung und die Nicht-Freigabe von Impfpatenten rettet leider kein einziges Menschenleben in der Pandemie. So zeigt sich wieder: Die Aufgabe der Politik liegt darin die Widersprüche des Kapitalismus ‘aushaltbar’ zu machen! Lediglich Ungeimpfte auszuschließen wird diese Pandemie wahrscheinlich nicht beenden.
Mit der gesamten Corona-Politik gehen Repression und Kriminalisierung einher. Menschen die Polizei auf den Hals zu hetzen (vor allem weil sie nicht staatskonform handeln), finden wir eigentlich immer scheiße und trotzdem macht sich da ein riesiges Problemfeld auf: Der Kapitalismus selbst, aber auch die Corona-Politik, welche Ausdruck desselben globalen Kapitalismus ist, produziert Menschen, die sich eklig unsolidarisch bis massiv übergriffig verhalten (u.a. sind in den letzten Monaten Angriffe auf Ärzt*innen von ihnen ausgegangen sowie ein Mord an einem Tankstellenarbeiter). Manche von diesen Menschen sind ideologisch gefestigte Impfgegner*innen, in deren Kern die faschistische Rechte agiert, andere haben ‘einfach’ eine stark verkürzte Kapitalismuskritik.
Ein erschreckendes (aber nicht überraschendes) Beispiel für Ersteres:
Ein “Diskriminierungfreies Branchenportal”?
Das mit der Diskriminierung ist so eine Sache. Als Aktivist*innen sind wir stets darum bemüht sie zu vermeiden, (bzw.) ihr auf den Grund zu gehen, sie zu verstehen. Und dann kommt da plötzlich so eine Internetseite um die Ecke, die sich als “diskriminierungsfreies Branchenportal” ausgibt. Bedeutet das à la Diversitymanagement in liberalen Demokartien sowas wie Diversität im Betrieb, Schwarze Chef*innen, Frauen in der Vorherschafft? Oder ist damit eine solidarische Vermittlung angesichts der Pandemie gemeint: Arbeitsorte, die bei einem Corona-Ausbruch eine solidarische Pause für alle Arbeiter*innen mit Vollbezahlung umsetzen? Noch besser: Für eine allgemeine Soli-Pause auch in Gewerkschaften sowie Bund- und Länderpolitik kämpfen? Arbeitgeber*innen, die über Tests und Impfungen aufklären? Sich zum primären Geschäftsziel machen, ihre Mitarbeiter*innen zu schützen?
Pustekuchen.
Da gibt es Menschen, die glauben, es müsste ein Portal geben, in der Geschäfte eintragen können, dass sie auf die Einhaltung der Maßnahmen verzichten, die die Krankenhäuser gerade mehr schlecht als recht davor schützen, komplett zu kollabieren. Ist es da wirklich so schlau, wenn ein ungeimpfter Mensch in ein Café kommt, in dem noch mehr ungeimpfte Menschen chillen? Ohne Maske. Versteht sich von selbst. Hier wird sich emanzipatorischer Sprech angeeignet, um höchst regressive und unsolidarische Politiken zu verschleiern.
OUTCALL ANIMAP
“Bist auch du für ein liebevolles Miteinander anstelle von Diskriminierung und Ausgrenzung deiner Mitmenschen?”
– animap.info Reiter ‘Home’
Gegründet wurde Animap zunächst in der Schweiz im Frühjahr 2021. Es folgte der österreichische Ableger. Der Deutsche kam selbstverständlich unverzögert nach.1 Mittlerweile gibt es das Portal auch für Italien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande. Hier tummeln sich Menschen, die entweder ihr eigenes Business, oder ein anderes anmelden und in einer Karte eintragen. Es handelt sich um Betriebe, Einkaufsläden, Dienstleistungsanbieter*innen, Cafés und Restaurants. Schwurbler*innen gibt’s halt in jeder Branche. Unter dem Reiter ‘Netzwerke’ wird von einer drohenden “Impfapartheid” gesprochen und man findet den Link zu einer Telegram-Gruppe, auf der sich diese Menschen noch intensiver austauschen und vernetzen können. Schnell wird von einer in die nächste Gruppe eingeladen und zack bist du in einem Channel über den du dir gefälschte Impfausweise bestellen kannst, oder dich halt mit Nazis austauscht und von ihnen informieren lässt. Neu ist animap.jobs für Deutschland, Schweiz und Österreich. Hier kannst du es versuchen, wenn du als Verschwörungstheoretiker*in von der Schule suspendiert wurdest oder als Chef*in gerne auch ungeimpfte Menschen anstellst, die an Aliens glauben.2 Alles für die Freiheit des Menschen. Und weil sich alle mal ein bisschen mehr lieb haben sollen. Weil ein Virus ja auch wirklich viel mit Liebe am Hut hat.
Marburg schwurbelt
Auch Marburg hat es auf das Schwurbel-Portal geschafft. Man findet dort das Café Aroma in der Schwanenalle (das Café Aroma².go gegenüber der Uni-Bibliothek gehört übrigens der selben Besitzerin), das Kleidungsgeschäft Öko Elvis in der Oberstadt und ‘Erik’s Reisebüro’ in Cappel, die mit dem Eintrag signalisieren wollen, “dass es mit den Corona-Maßnahmen der Regierung und insbesondere mit dem Einsatz des COVID-Zertifikats nicht einverstanden ist.”3 Immer wieder labern sie von geltenden Menschenrechten und wie die Maßnahmen denen widersprechen. Sofortige Aufhebung aller Maßnahmen fordern sie. Stimmt. Gute Idee. Natürlich haben die meisten keinen Bock auf soziale Isolation. Aber revolutionär und widerständig ist keine Maske tragen und sich nicht impfen lassen jetzt auch nicht.
Und jetzt?
Unser vorrangiges Ziel dieses Artikels ist, auf diese Website und ihre Unterstützer*innen, auch in Marburg, hinzuweisen.
Was wir sonst noch sagen wollen: Der Kapitalismus produziert globale Pandemien, aber auch Menschen, die sie nicht ernst nehmen. Es ist ein (europäischer, wenn nicht sogar deutscher) Ausdruck von Privilegien, sich der Gefahr von Covid-19 entziehen zu können, zu sagen “ich lasse mich nicht impfen”, wenn auf der anderen Seite die Impfpatente nicht freigegeben werden und Impfstoff(e) in vielen Ländern (globaler Süden) nur spärlich ankommen.
Faschistoide Bewegungen und Menschen, die wegen Corona rumschwurbeln, muss etwas entgegen gesetzt werden. Allerdings nicht über eine Allianz mit dem Staat, sondern durch solide antifaschistische Aktionen. Wir können Kritik am Staat und an den Maßnamen nicht Impfgegner*innen überlassen! Wir lassen uns nichts, vor allem nicht Staatskritik verbieten und sehen trotzdem gewissenhaft die Problematik der Pandemie und die Notwendigkeit von eigenen Einschränkungen, um Menschen zu schützen!
Pandemie und trotzdem da – durchgeimpfte Fantifa!!
1 https://animap.info/.
2 Vgl. https://animap.jobs/de/.
3 https://animap.info/.